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Beitrag vom 13.06.2016
Gayby Baby - Regie und Kamera Maya Newell. Kinostart 23. Juni 2016. Filmvorführung + Diskussion am 24. Juni im Xenon Kino und am 26. Juni im Moviemento
Annika Hüttmann
Ebony, Gus, Graham und Matt sind zwischen 10 und 12 Jahre alt und wachsen bei homosexuellen Eltern auf. Trotz dieser Gemeinsamkeit haben sie ganz unterschiedliche Familien, Träume, Interessen...
... Schwierigkeiten und Hintergründe.
Mensch könnte jetzt fragen: Was bedeutet es also, gleichgeschlechtliche Eltern zu haben? Die australische Filmemacherin Maya Newell, die selbst zwei Mütter hat, zeigt mit Gayby Baby, dass es darauf keine einfache Antwort gibt. Vielmehr macht der Film deutlich, dass diese Frage falsch gestellt ist. Dass es eigentlich heißen sollte: Was ist eine Familie?
Zu Beginn der Dokumentation, die zu großen Teilen durch Crowdfunding finanziert wurde, sind unterschiedliche Stimmen zu hören, die sich gegen Familienkonstellationen abseits des Vater-Mutter-Kind(er)-Modells aussprechen. Hier ist zu hören, es sei schädlich für das Kind, ohne Vater bzw. Mutter aufzuwachsen. Newells Antwort darauf sind die Portraits der vier Kinder und ihrer Familien.
Der Fokus des Films liegt dabei voll und ganz auf Matt, Ebony, Graham und Gus.
Matt, der im Laufe der Dokumentation die Premierministerin von Australien treffen wird, stellt sich die Frage, ob er an Gott glaubt oder nicht. Ihm fällt es schwer zu verstehen, warum seine sehr gläubige Mutter in eine Gemeinde geht, in der ihre Partnerschaft als Sünde gesehen wird. Ebony möchte Sängerin werden und an der Newtown School of Performing Arts angenommen werden. Auch, weil es dort viel eher akzeptiert werden würde, dass sie zwei Mütter hat. Graham, der mit seinen zwei Vätern gerade nach Fidschi gezogen ist, hat große Probleme Lesen und Schreiben zu lernen. Als er mit fünf Jahren adoptiert wurde, konnte er nicht einmal sprechen, weil es ihm von seinen biologischen Eltern nicht beigebracht wurde. Matt liebt Wrestling über alles, was bei seinen Müttern nicht gerade Begeisterung auslöst.
Die Kinder werden über längere Zeit in ihrem Alltag begleitet, was zu intensiven Portraits führt. Hierbei zeigt sich auch, dass keine der Familien ´perfekt´ ist. Newell hat sich bewusst dagegen entschieden zu idealisieren. Stattdessen zeigt sie diese Familien als eine Realität, als etwas, das bereits existiert und deswegen eigentlich nicht diskutiert werden müsste. Kein Familienalltag läuft komplett ohne Probleme ab, nur führen diese bei heterosexuellen Eltern nicht sofort zum Hinterfragen ihrer Daseinsberechtigung. Was sich jedoch zeigt ist eine Verbundenheit und Liebe, eine Zusammengehörigkeit.
"Gayby Baby" enthält nur wenige explizit politische Statements. Der Film zeigt eigentlich nur vier junge Menschen kurz vor der Pubertät. So unterschiedlich die Familien auch sind, ist natürlich die Homosexualität der Eltern immer wieder ein Thema. Sowohl Ebony als auch Matt müssen sich damit auseinandersetzen deswegen eventuell gemobbt zu werden, wenn sie auf eine neue Schule kommen. Graham muss auf Fidschi vollkommen verschweigen, zwei Väter zu haben. Deutlich aber wird, dass nicht die Familien innerhalb auf irgendeine Weise dysfunktional sind, sondern dass Verhältnis zur Außenwelt problematisch. Also stellt sich doch wieder die Frage: Was bedeutet es, gleichgeschlechtliche Eltern zu haben? "Gayby Baby" legt nahe, dass es bedeutet sich zu wünschen, mehr Menschen mögen verstehen, dass eine Familie nicht danach beurteilt werden kann.
AVIVA-Tipp: Eine sehr schlicht gehaltene Dokumentation, die aber durch ihre Charaktere und Herangehensweise eine große Intensität entfaltet. "Gayby Baby" ist kein Propagandafilm für Regenbogenfamilien, keine Diskussion über ein Pro und Contra, sondern eine Erinnerung daran, dass es sie bereits gibt.
Zur Regisseurin: Maya Newell ist eine australische Filmemacherin deren Fokus im Dokumentarfilm liegt. Nachdem sie ein Stipendium für die Sydney Film School gewann und ihren BA in Medien & Kommunikation abschloss, machte sie den mittellangen Dokumentarfilm ´Richard: The Most Interestingest Person I´ve Ever Met´. Ihr preisgekrönter Kurzfilm TWO lief auf nationalen und internationalen Festivals und sie wurde als Best New Documentary Talent of Australia beim AIDC Adelaide Film Festival ausgezeichnet. Ihr TV-Film ´Growing Up Gayby´, den sie in Zusammenarbeit mit Charlotte Mars machte, wurde 2013 auf dem Sender ABC (Australian Broadcasting Corporation) ausgestrahlt. (Presseinformationen)
Zur Produzentin: Charlotte Mars ist eine aufstrebende Produzentin, Autorin und Regisseurin mit einem starken Interesse für Inhalte, die von Frauen gemacht werden. In der Vergangenheit war sie Entwicklungsredakteurin für NBCUs Matchbox Pictures. In dieser Zeit entwarf und entwickelte sie viele Projekte und arbeitete an preisgekrönten Film und TV-Inhalten. Charlotte produzierte die ABC Dokumentation ´Growing Up Gayby´ und den Kurzfilm ´From Here´, der auch international ausgestrahlt wurde. (Presseinformationen)
Gayby Baby
Australien 2015
Verleih: Rise and Shine Cinema
Regie & Kamera: Maya Newell
Musik: Max Lyandvert
Schnitt: Rochelle Oshlack
World Sales: Rise and Shine
Produzentin: Charlotte Mars
Produktion: Marla House
In Zusammenarbeit mit: Documentary Australia Foundation
Lauflänge: 85 Minuten, OmdU
Kinostart: 23. Juni 2016
Mehr Infos auf der Filmhomepage: gaybybaby-film.de
Filmvorführung + Diskussion am Freitag, den 24. Juni um 20:15 Uhr im Xenon Kino, Berlin mit Constanze Körner (Leiterin Regenbogenfamilienzentrum des LSVD in Berlin) und Mitgliedern von Regenbogenfamilien. Moderiert von Caroline Ausserer (Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Schwules Museum* und Journalistin).
Filmvorführung + Diskussion am Sonntag den 26. Juni um 17:00 Uhr im Moviemento, Berlin mit Constanze Körner (Leiterin Regenbogenfamilienzentrum des LSVD in Berlin) und einem Mitglied einer Regenbogenfamilie. Moderiert von Frances Hill (Ko-Leiterin vom Down Under Berlin Film Festival).
Weitere Informationen unter: downunderberlin.de